Name: Turner. Three Horizons no. 505 – The Tenth Plague of Egypt by Lenbachhaus
Duration: 2 min 9 s
Description: J. M. W. Turner is considered an innovator of landscape painting and a pioneer of modernism. With his reduction to color, light and atmosphere, the painter amazed his contemporaries – just as he does us today. Around 40 paintings, 40 watercolors and sketches from all creative phases are now on display in the Kunstbau.

J. M. W. Turner is considered an innovator of landscape painting and a pioneer of modernism. With his reduction to color, light and atmosphere, the painter amazed his contemporaries – just as he does us today. Around 40 paintings, 40 watercolors and sketches from all creative phases are now on display in the Kunstbau.

Turner. Three Horizons no. 505 – The Tenth Plague of Egypt

From the book Der Trost der Dinge [The Consolation of Objects]:
Two other pictures by Paul Klee at the Lenbachhaus reminded me of the pleasure of composing pictures out of letters, which, in The Black Book, I embedded in a crime plot: Wild Berry, a picture he created in 1921, reminds me of the image of Adam as the “perfect man” formed out of letters, a frequent motif in Hurufism […] The main character in The Black Book, the journalist Celâl Salik, sends secret messages to readers who have been initiated into the mysteries of Hurufism. In the history of modern Turkish Hurufism and the culture of religious representations, tragedy struck in 1928, when Atatürk’s alphabet reform mandated that the state and the entire population switch from the Arabic to the Latin alphabet. Atatürk’s cultural reforms promoted painting after Western models, while the traditional religious visual art and the craft of calligraphy based on the Arabic letters faded.

Orhan Pamuk. The Consolation of Objects no. 102 – The perfect human being

From the book Der Trost der Dinge [The Consolation of Objects]:
Contemplating Kubin’s picture Epidemic transported me back to the days during the coronavirus epidemic when I was finishing my novel Nights of Plague. To revive my feelings from back then, I decided to create another diorama inspired by the picture […] I believe that the loneliness during an epidemic is the subject of Kubin’s picture, and it is also the feeling that this display case is meant to elicit. For the pictures in the cabinet, I took inspiration from photographs taken in the Ottoman Empire around the turn of the century, the pictures in the photo albums of Sultan Abdülhamit II showing scenes from his empire, and medical posters. Also included are reproductions of letters and numerical symbols of Islamic provenance that were used back in the day to fight the black death and that I had encountered in old books as I was writing the novel.

Orhan Pamuk. The Consolation of Objects no. 103 – Nights of the Plague

From the book Der Trost der Dinge [The Consolation of Objects]:
Alfred Kubin is primarily known as a graphic artist, but he also wrote a novel [The Other Side]. In an inverse symmetry, I might similarly say about myself: I am primarily a writer, but from time to time I feel the urge and I paint […] Kubin’s pictures are not about individuals, he is more interested in humankind as such. He shows us the absurd, tragic, ridiculous, dramatic, and irrational aspects of man […] The Great Maw, an imposing picture at the Lenbachhaus, exudes a pessimism that I wanted to invert into optimism in a diorama. In this display case, no foolish humans stream into the maw of the ceramic hippopotamus that Başak Bugay so compellingly translated into the third dimension. On the contrary, the people who have most impressed me throughout my life with their intelligence and creativity are marching toward us. Life may well resemble more closely what Kubin shows us in his fabulous pictures, but art and creativity ought to lead us not into hell but toward the richness of life.

Orhan Pamuk. The Consolation of Objects no. 104 – Who Comes Out of Me

Im Mai 2023 reiste Orhan Pamuk nach München, um in der Sammlung des Lenbachhauses zu recherchieren. Im „Zwiegespräch“ mit den gesehenen Kunstwerken entstanden Ideen für neue Dioramen, in denen er der Poesie der Dinge nachspürt.
Aus dem Buch Der Trost der Dinge: 
Bevor ich darauf eingehe, warum und wie in den Garten Paul Klees islamischer Hurufismus gelangt ist, erst ein paar Bemerkungen zum Thema »Klee und die Engel«. Kenner wissen, dass Klee sein ganzes Malerleben über immer wieder auf Engel Bezug genommen oder auch direkt welche auf seine ganz spezifische Art gemalt hat, und so ziemlich jedermann dürfte schon einmal Klees berühmtestes Engelbild Angelus Novus gesehen haben. Walter Benjamin, der das Bild eine Zeit lang besaß, nannte die zurückweichende Gestalt in einer Schrift, die großen Einfluss auf marxistische Kultur- und Geschichtstheoretiker ausübte, den »Engel der Geschichte«. […] Darüber, welche Details am Erzengel [im Lenbachhaus]  auf einen Engel verweisen, herrscht unter Kunsthistorikern keine Einigkeit. […] Für mich ergibt sich [eine Verknüpfung von Gesicht und arabischen Buchstaben] aus den Bildern, die Klee unter dem Einfluss seiner Tunesienreise 1914 schuf. Jahrelang suchte ich jeden Freitagabend das Metropolitan Museum in New York auf, und als ich dort die Klee-Bilder der Sammlung Berggruen sah, las ich daraufhin das Reisetagebuch des Malers. In der Stadt Hammamet in der Nähe von Tunis zeichnete er auf einem Friedhof. Ich stelle mir vor, es mag Klee mit den arabischen Buchstaben ergangen sein wie mir in meiner Kindheit, als mir ein muslimischer Friedhof wie ein mit arabischen Buchstaben gezeichneter Wald erschien.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 98 – Einführung und Erzengel

Aus dem Buch Der Trost der Dinge:
An Silvester wurde bei uns zu Hause traditionell Bingo gespielt, woran sich die gesamte Verwandtschaft beteiligte, von der Großmutter bis zu den Enkeln. Aus einem Säckchen wurden Nummern aus Holz (später aus Plastik) gezogen, und wer auf der Karte vor sich eine der Nummern stehen hatte, kennzeichnete dies mit einer Bohne. Wer als Erster eine Reihe vervollständigte, rief »çinko« und bekam von meiner Großmutter ein Geschenk […] Dank der Geschenke meiner Großmutter entdeckte ich, dass Dingen ein besonderer Zauber innewohnt, ja dass sie unabhängig von uns ein Eigenleben führen. So begriff ich denn auch besser die europäische Tradition der Stillleben. Inspiriert von der Bingo-Vitrine im Museum der Unschuld und von einem Stillleben Eduard von Grützners, habe ich diese Vitrine konzipiert, in der sich jener Zauber ausdrücken soll.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 99 – Bingo II

Aus dem Buch Der Trost der Dinge:
Diese Vitrine ist von einem faszinierenden Bild des Malers Gabriel von Max inspiriert. Der Darwinist, Spiritist und naturwissenschaftliche Hobbyforscher hat darauf »Ganglion« geschrieben. Allein schon, dass er überhaupt auf ein Bild etwas geschrieben hat, schätze ich sehr. Da ich ein recht nervöser Mensch bin, mit ziemlich vielen Knoten in der Seele, stelle ich mir das Seelengewebe in etwa so vor wie dieses in einer Weberei hergestellte rote Stoffband. Denken wir uns überhaupt einmal die ganze Welt als einen aus feinen Nervensträngen gefertigten Stoff aus einer altmodischen Weberei. […] Die alten Fotos von osmanischen Fabriken und Werkstätten, in denen nichtmuslimische Frauen arbeiten, erinnern uns daran, dass unser Leben und die ganze Welt aus den Knoten und Fäden von Nervensträngen gemacht sind. Nicht nur die Fabriken, sondern auch die Spulen, die Nähmaschinen, die Nervenstränge und die Gewebe, also alles und all jene Frauen arbeiten daran, den roten Stoff herzustellen.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 100 – Ganglien

Aus dem Buch Der Trost der Dinge: 
Und im Gemälde Kakteen aus dem Jahr 1912 wiederum sehe ich einen Garten, in dem ich in Raum und Zeit mit arabischen Buchstaben gestaltete Vögel und eine Birne platzierte. […] In meinem Roman Das schwarze Buch gehe ich auf die Lehre des Hurufismus ein, die sich auch der Derwischorden der Bektaschi zu eigen gemacht hat. Der Hurufismus schreibt den Buchstaben eine zweite, geheime Bedeutung zu und lässt aus ihnen menschliche
Gesichter und Gestalten entstehen. […] Was nach klassischem Hurufismus-Verständnis eine religiöse Handlung ist, nämlich aus Buchstaben ein Bild zu formen, gilt uns heute auch als Kunst.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 101 – Im Garten Paul Klees

Aus dem Buch Der Trost der Dinge:
Zwei weitere Bilder Paul Klees im Lenbachhaus erinnerten mich an das Vergnügen, aus Buchstaben Bilder zu gestalten, das ich im Schwarzen Buch in eine kriminelle Handlung eingebettet habe: Das 1921 geschaffene Bild Waldbeere erinnert mich an das von den Hurufisten häufig verwendete, aus Buchstaben geformte Bild von Adam als dem »vollkommenen Menschen«.  […] Die Hauptfigur im Schwarzen Buch, der Journalist Celâl Salik, sendet den Lesern, die sich auf die Geheimnisse des Hurufismus verstehen, geheime Botschaften. Zur Tragödie für den modernen türkischen Hurufismus und die Kultur der religiösen Darstellungen wurde 1928 die Schriftreform Atatürks, die auf einen Schlag dem Staat und der gesamten Bevölkerung eine Umstellung vom arabischen zum lateinischen Alphabet auferlegte. Die kulturellen Reformen Atatürks leisteten einer Malerei nach westlichem Modell Vorschub, während die traditionelle religiöse Bildergestaltung und die auf arabischen Buchstaben basierende Kunst der Kalligrafen in den Hintergrund rückte.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 102 – Der vollkommene Mensch

Aus dem Buch Der Trost der Dinge:
Beim Betrachten von Kubins Bild Epidemie im Lenbachhaus wurde ich in die Zeit zurückversetzt, als ich während der Corona-Epidemie meinen Roman Die Nächte der Pest fertigschrieb. Um die Gefühle von damals  wieder aufleben zu lassen, beschloss ich, inspiriert von dem Bild, ein weiteres Diorama zu gestalten. […] Die Einsamkeit während einer Seuche ist meiner Ansicht nach das Thema von Kubins Bild, und sie ist auch das Gefühl, das von dieser Vitrine ausgelöst werden soll. Zu den Bildern in der Vitrine habe ich mich von Fotos aus dem Osmanischen Reich um die Jahrhundertwende, von den Aufnahmen in den Fotoalben Sultan Abdülhamits II., die Ansichten aus seinem Reich zeigen, sowie von medizinischen Plakaten inspirieren lassen. Außerdem sind Buchstaben und Zahlensymbole islamischer Provenienz abgebildet, mit denen man damals die Pest bekämpfte und auf die ich beim Schreiben des Romans in alten Büchern gestoßen war.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 103 – Die Nächte der Pest

Aus dem Buch Der Trost der Dinge:
Alfred Kubin gilt in erster Linie als Grafiker, doch er hat auch einen Roman [Die andere Seite] verfasst. Über mich könnte ich in umgekehrter Symmetrie das Gleiche sagen: In erster Linie bin ich Schriftsteller, doch immer wieder packt es mich und ich male. […] Kubin geht es in seinen Bildern nicht um Individuen, sondern eher um die Menschheit an sich. Er zeigt uns das Unsinnige, Tragische, Lächerliche, Dramatische und Unvernünftige am Menschen. […] Den Pessimismus, der von dem eindrucksvollen Bild Das große Maul im Lenbachhaus ausgeht, wollte ich mit einem Diorama in Optimismus umkehren. Ins Maul des Keramiknilpferds, das Başak Bugay so gelungen in die dritte Dimension überführt hat, strömen in dieser Vitrine keine törichten Menschen, ganz im Gegenteil: Die Menschen, die mich mein Leben lang am meisten durch ihre Intelligenz und Kreativität beeindruckt haben, marschieren auf uns zu. Das Leben mag eher so sein, wie Kubin es uns auf seinen großartigen Bildern zeigt, doch sollen Kunst und Kreativität uns nicht in die Hölle führen, sondern zum Reichtum des Lebens.

Orhan Pamuk. Der Trost der Dinge Nr. 104 – Wer aus mir herauskommt

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Turner. Three Horizons no. 505 – The Tenth Plague of Egypt

Lenbachhaus

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