Ja, also da wurde noch richtig im Freien gedroschen, und zwar bis 23 Uhr, im Mehrschichtensystem! Das muss man doch wirklich mal, also, so sagen.

"Nicht ganz einfach war es ... Verflucht und zugenäht!" So beginnt die bekannteste Reportage des DDR-Rundfunks: "Der Nachtdrusch“. Verzweifelt versucht ein in jeder Hinsicht überforderter Reporter, eine Dreschmaschine zu erklimmen. Aber dort erwarten ihn seine größten Probleme:  die Genossenschaftsbäuerinnen. 

"Der Nachtdrusch" ist ein Klassiker geworden, obwohl er nie ausgestrahlt werden sollte.  Die Reportage ist aufgenommen worden am 15. Juli 1958 auf dem Volkseigenen Gut in Klein Wanzleben in der Magdeburger Börde. Der Reporter ist der Landwirtschaftsreporter Lothar Gärtner, der später Leiter des Studios Magdeburg von Radio DDR war. Für Technikfreunde: Er war an diesem Abend mit einem Übertragungswagen  ("Tonaufnahmewagen") „Phänomen“ aus Zittau im Einsatz. 

Die ungeschnittene Reportage wurde – ohne Erlaubnis der Radio-Funktionäre – in einer Silvestersendung des DDR-Rundfunks ausgestrahlt. Mehrere Generationen von angehenden Radiojournalist*innen in der DDR haben sich später daran ergötzt. Der „Nachtdrusch“ zeigt auch heute noch anschaulich, wie DDR-Reporter*innen vergeblich versuchten, alltägliche Vorgänge wie eine Getreidemahd zum heroischen Beitrag zum Erblühen des Sozialismus aufzubauschen. 

Ich kannte den „Nachtdrusch“ natürlich auch. Und war begeistert, als ich die Original-Aufnahme im Archiv des MDR-Landesfunkhauses in Magdeburg entdeckt habe: in der Originalverpackung, von AGFA Wolfen, zum Teil mit russischer Beschriftung. Die „Blaue Mauritius“ des DDR-Rundfunks.
Der Techniker beim Nachtdrusch-Einsatz war Dieter Streblow: „Wir waren fast jeden Tag mit dem Übertragungswagen unterwegs. Wenn irgendwo ein Strumpfladen aufgemacht wurde, waren wir da, allein mit dem Ziel, ein paar Strumpfhosen für die Kolleginnen abzustauben.“

Der Chef der Genossenschaftsbäuerin, der in der Reportage zu hören ist, war Dr. Siegfried Hünsche. Das hat mein Kollege Andreas Müller recherchiert. Hünsche war später Direktor des Kombinates Industrielle Rindermast in Klein Wanzleben und nach der Wende der Chef des Seniorenverbandes Sachsen-Anhalt.

Und falls jemand nach dem Verbleib des Bandes fragt: Ich werde es natürlich dem MDR-Archiv übergeben, damit es der Nachwelt erhalten bleibt.

"Der Nachtdrusch", der Klassiker des DDR-Rundfunks, 1958

Dietz Schwiesau: Mitteldeutscher Rundfunk & Universität Leipzig. Dipl.-Journalist,  Honorarprofessor, Buchautor und Nachrichtentrainer.

"Der Nachtdrusch", der Klassiker des DDR-Rundfunks, 1958

Dietz Schwiesau

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