DD Podcast #006 - André Müller

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ine Institution, die in einer Serie über Gießener Elektro-Crews natürlich nicht fehlen darf. Ob im Sand, im Bunker, unter der Brücke, über den Dächern oder auf der Straße – der laute, dröhnende Klang irgendwo zwischen Techno und Drum’n’Bass schallt nun schon seit über 15 Jahren durch die Stadt und hat damit schon so einige Schneisen im Gießener Nachtdschungel geschlagen! Wir haben uns mit Max, dem Urvater von UNDERtheGROUND, auf eine spannende Reise durch die letzten Jahre Gießener Elektrogeschichte begeben.

Wie und wann ist UNDERtheGROUND entstanden?

August 1996. Ich hatte selbst gerade angefangen aufzulegen. Es gab aber keine Location, wo Du als Drum’n’Bass DJ hingehen konntest und sagen konntest, ‘ich will jetzt hier auflegen’. Das gab’s damals nicht. Es gab eben nur die Möglichkeit selbst die Initiative zu ergreifen. Das war der erste Ruck.

Meine damalige Freundin war zu der Zeit in London zum Auslandsstudium. Und London hat mich dann auch erstmal weich gemacht für elektronische Musik. Früher war ich halt eher so Gitarre und Punkrock. Und in London waren natürlich auch illegale Parties abseits der Clubs im Warehouse oder am Themse-Ufer-Hafen angesagt. Dabei ging die Werbung für diese Events eben nur über Mund-zu-Mund-Propaganda oder Flyer, die man dann aber auch mitbringen musste, wenn man auf die Party wollte. Das ganze war also schon sehr limitiert. Und wenn Du einmal drin warst, dann hast Du immer wieder was für die nächsten Veranstaltungen mitgekriegt. Das war damals so beindruckend für mich, dass dann klar war: Wenn’s in Gießen keine Plattform für elektronische Musik gibt, dann machen wir das eben selbst und genau so, wie ich das in London erlebt hab’.

Die ersten Veranstaltungen haben wir im Seltersweg gemacht. Über’m Köhler in meiner damaligen WG, übrigens eine der ältesten WGs seit dem Kupplungsparagraph. Unten im Keller gab’s einen Luftschutzbunker, in dem wir unsere Fahrräder abstellen durften und deshalb hatte wir auch einen Schlüssel dafür. Und da haben wir dann die Parties gemacht. Daher auch der Name UNDERtheGROUND. Da war’s total verschachteln. Es gab zwei Dancefloors und einen langen Gang, der hinten auf der anderen Seite vom Horten (Kaufhof) rauskommt. Und in diesem Kellergewölbe haben wir damals die Parties gemacht. Von Anfang an mit Einladung – das Prinzip aus London. Und das auch gleich mit durchschlagendem Erfolg. Wir hatten am Anfang 250 Karten und es waren auch 250 Gäste. Dann hatten wir 300 und es waren 300. Dann haben wir jeden Monat da illegal eine Party gemacht. Nach sieben Monaten war das irgendwann finito. denn der Hausverwalter hat es natürlich rausgekriegt. Es ist dann teilweise dadurch aufgeflogen, weil junge DJs oben beim damaligen Moeser (Geschäft und zugleich Vermieter) Demotapes abgegeben haben und andere Gäste dort Tickets kaufen wollten für den ‘geilen Club da unten’. Der alte Moeser war aber auch total cool, wir sind nämlich nicht rausgeflogen, sondern er hat dann gesagt ‘Das könnt ihr nicht machen, das muss jetzt ein Ende finden!’ Danach hab ich auch noch weitere sechs Jahre dort gewohnt.

Dann sind wir in das damalig besetze Südanlagenhaus gegangen. Und die Bewohner von dort haben das mit unseren Parties natürlich auch schon so ein bisschen aus dem Augenwinkel beobachtet. Wir haben uns im Seltersweg-Keller einfach den Raum genommen. Es war von vorne bis hinten eine illegale Sache. Es gab keine Toiletten, das Dosenbier hat einen Euro gekostet, mörderlaut, wahnsinnig viel Watt in diesem dunklen Keller und ich glaube auf der letzten Party waren auch so 500 Gäste – damit war das Ding dann ausgereizt. Und uns war klar, wir müssen woanders hin. Und die in der Südanlage haben uns aufgenommen so nach dem Motto ‘Naja wenn ihr jetzt bei Euch rausgeflogen seid, dann geben wir Euch einen Platz. Dann könnt ihr Euren Elektrokram jetzt bei uns machen’, obwohl das damals für ein autonomes Zentrum ziemlich anormal war mit Elektro anzufangen. Und da haben wir wieder losgelegt, mit durchschlagendem Erfolg. Wir haben es durchgehalten immer einmal im Monat eine Party zu machen. So lange bis es dann leider den blöden Vorfall mit der Gaskranate auf einer Party gab. Dann hatte erstmal keiner mehr Bock auf Party. Ein paar Monate lang. Bis wir irgendwann wieder losgelegt haben mit dem Quadrat und später dem Relax 2000.

Was ist die Idee dahinter?

Mittlerweile ist das eher so eine Stadtpartykultur. Wir sind ja auch nie rausgegangen. Wir hätten ja auch sagen können, wir gehen nach Frankfurt, aber im Prinzip sind wir immer in Gießen geblieben. Und ich seh’ das ganze auch stark auf Gießen konzentriert. Letztendlich versteh ich UNDERtheGROUND als Gießener Partyinstitution, die aber trotzdem andere Aktivisten unterstützt – GreenHill, Stadtfest, Nachttanzdemo, Uni, WG-Flohmarkt,…

Am Anfang gab es keine Plattform, wo wir als DJs selbst auflegen konnten. Also haben wir diese DJ Plattform ins Leben gerufen. Dabei war es uns immer wichtig unsere Homie-Szene zu pushen. Im Gegensatz zu anderen Partyveranstaltern haben wir uns nicht einfach DJs aus Frankfurt oder anderen Großstädten geholt. Wir laden schon mal einen Gast ein, aber der legt dann mit unseren Homies auf. Ne ganze Weile gab’s da auch nur uns. Mittlerweile gibt’s da zum Glück wieder einige: Lach&Krach, die rds aus Wetzlar, die Eskalationsjungs, die Bunkerjungs. Lange gab’s das einfach nicht und wir waren die einzige Anlaufstelle für alle DJ, die auflegen wollten, die laut spielen wollten und die sich natürlich auch ein Bein ausgerissen haben, damit das geil wird. Und die haben das alles ehrenamtlich gemacht. Ein Gast, den buchst du, der kommt dann halt für 500 / 600 Euro, hat vielleicht schlecht ausgeschlafen, kommt an, denkt sich ‘boah wo bist’n hier gelandet…ah in Gießen.’ Und dann ist er froh, wenn er nach 2 1/2 Stunden wieder im Hotel ist. Ob er jetzt die Party gerissen hat oder nicht, ist die andere Fragen. Aber der Homie DJ der weiß, ‘scheiße man, das sind ja alles meine Freunde, die extra wegen mir gekommen sind. Ich werd’ da jetzt auf keinen Fall ‘ne lahme Platte spielen’.

Wie ich finde, auch das beste Konzept bis heute. Das Zusammenspiel aus Gast und Homies ist wichtig. Weil der Gast merkt ja auch, ‘wow die DJs hier sind ja super engagiert’. Und das war auch immer das Erfolgsrezept von UTG, dass Du gespürt hast, dass was geht und dass die Leute motiviert sind, die auflegen.

Wieso Gießen?

Gießen ist natürlich eine der hässlichsten Provinzstädte, die man sich in ganz Deutschland vorstellen kann. Aber dafür, dass Gießen so klein und so hässlich ist, geht unwahrscheinlich viel in hier. Ich bin seit ’92 da. Seitdem hat sich die Stadt ganz schön gemausert. Und das liegt vor allem an den Aktivisten, die es gibt, die gesagt haben, ‘jetzt sind wir schonmal hier, jetzt machen wir auch was draus.’ Und da gibt es natürlich ganz viele Sparten. Wir haben unsere damals ganz alleine abgedeckt, mittlerweile gibt’s da viel mehr. Ich hab Gießen immer gemocht. Letztendlich ist UTG nichts anderes als eine Party von Gießen für Gießen. Deshalb sind wir ja auch nie raus gegangen.

Wie hört sich UNDERtheGROUND an?

Laut. Ja laut. Wir sind ‘ne zwei-Floor-Party. Das heißt wir haben immer Drum’n’Bass mit dabei. Das ist immer der Aufhänger, für den, für den Elektro zu mainstreamig ist. Oder für den, der die ganze Zeit auf dem Elektrofloor getanzt hat und aber denkt: ‘ja so richtig vorwärts geht’s mir immer noch nicht genug.’ Der steckt dann seine Nase nach unten zu dem Drum’n’Bass Floor und denkt sich ‘Woa was geht denn hier ab?’

Also in der Zeit als wir das Quadrat gemacht haben, gegenüber vom heutigen Neustädter Tor, da haben wir uns natürlich einem Sound verschrieben, der war recht selten. Der führte letztendlich nach Brighton. Und in Brighton hat man einen Elektro gemacht, der war ziemlich verquirlt, hatte strange Töne und war vertrakt. Und dieser Brighton-Techno das war damals ein Randgebiet in der ganzen Technoszene der 90er & 2000er. Das haben wir mit vielleicht zehn anderen Clubs in Europa vertreten, mit zum Beispiel dem Ostgut und dem Tresor in Berlin, dem Fusion in Brüssel und Stuttgart Neue Heimat oder Kassel Stammheim. Das waren die Diskotheke, mit denen wir uns die DJs geteilt haben. Wir waren quasi nicht mehr nur ein Club, sondern auch eine Booking-Agentur und haben uns die Künstler mit den anderen dann geteilt. Die haben dann schonmal ‘ne Woche lang in unserer WG gepennt und sind dann zu den anderen Clubs gegangen. Wenn man damals nach einer Elektroszene gefragt hätte, dann hätte man gesagt, ‘na klar, Gießen steht für den Brighton Techno.’ Heute gibt’s das so nicht mehr. Deshalb ist das auch so schwierig von einer Elektroszene zu sprechen. Es kommt viel mehr auf den Charakter an, wie Du die Party lenkst. Du kannst ein Line-Up in der Hessenhalle spielen, das hat einen ganz anderen Charakter, als wenn Du ein ähnliches Line-Up auf eine staubige Wiese stellst.

Was macht eine gute Party aus?

Also…in den Sommermonaten gibt’s halt immer so eine Party, wo man sagt: ‘man ey, kannst Du dich noch an diese Party hier erinnern?’ Und irgendwie versuchst du immer so eine Party zu entwickelt und das kann die seltsamsten Formen annehmen. Ich würde sagen, das macht eine gute Party aus, dass sie unvergesslich bleibt. Und das kann aus den verschiedensten Gründen so sein. Die Party kann unvergesslich bleiben, weil sie halt in einer seltsamen Location ist, Neustädter Tor zum Beispiel. Die Leute fahren danach tagsüber mit dem Fahrrad vorbei uns sagen ‘guck mal da oben war ‘ne Party, und ich weiß wie der Blick nachts von da oben aussieht!’ Oder auf der Nachttanzdemo oder unter der Brücke ist es ja auch so. Dann gibt es natürlich aber auch von der Stimmung her solche besondern Parties. Wir hatten im MuK schon Abende, wo die Leute so geschrien haben und unten so ein Pogo war, dass die Leute mit dem Arsch ins DJ Pult gesprungen sind, weil das halt einfach so geil war. Das ist dann auch wieder unvergesslich. Es gibt ja so Sachen an die erinnerst Du Dich vielleicht noch, wenn Du Deinen Kindern davon erzählst.

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